Geschäftsführer der Unternehmerverbände Rhein-Wupper Andreas Tressin: „Die Lage war schon vor Corona ernst“

Die Tarifkommission der IG Metall NRW hat die gültigen Tarifverträge fristgerecht gekündigt – und so den Weg freigemacht für Verhandlungen mit den Arbeitgebern. Die beginnen Mitte Dezember. Sind harte Tarifverhandlungen in einer Zeit der Pandemie angezeigt?
Ich habe zunächst einmal den Eindruck, dass die IG Metall unsere Einschätzung der wirtschaftlichen Lage teilt und die ist geprägt von einer wirtschaftlichen Rezession, einem unglaublich teuren Strukturwandel und völliger Planungsunsicherheit. Dies müsste eigentlich dafür sprechen, sehr schnell zu einem der ernsten Lage entsprechenden Ergebnis zu kommen. Irritieren muss einen dann aber die nunmehr beschlossene aktuelle Forderung der IG Metall, die sich vereinfacht auf folgenden Nenner bringen lässt: Weniger Arbeit mit mehr Lohnausgleich oder bei gleicher Arbeit mehr Geld in einem Gesamtvolumen von vier Prozent. Diesen Vorschlag muss man angesichts der geschilderten wirtschaftlichen Lage als nicht nachvollziehbar, wirklichkeitsfremd und „tollkühn“ bezeichnen. Denn auf jeden Fall würde sich der Faktor Arbeit nochmals massiv erhöhen, was in der aktuell schwierigen Situation für unsere Unternehmen schlichtweg unzumutbar ist. Der Zahlen-, Daten- und Faktencheck lässt in unserer Branche jedenfalls keinerlei Verteilungsspielräume zu. Im Gegenteil, unter den geschilderten Rahmenbedingungen wäre aktuell eine Senkung der Arbeitskosten das Gebot der Stunde. Wir dürfen darüber hinaus nicht aus dem Blick verlieren, dass auch schon vor Corona die Lage für die Metall- und Elektroindustrie sehr ernst war und unsere Branche in Folge überproportional gestiegener Entgeltkosten mehr und mehr an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verloren hatte. Corona kam dann gleichsam als Brandbeschleuniger noch dazu, kostete und kostet auch weiterhin die Unternehmen vor allem viel Liquidität. Liquidität, die jetzt an allen Ecken und Enden für die dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen fehlt.

Was hat der Corona-Übergangs-Vertrag vom Frühjahr gebracht?
Die Erkenntnis, dass die Tarifvertragsparteien in Krisenzeiten in der Lage sind, tarifliche Instrumente zu finden, die die Unternehmen bei den Entgelten nicht dauerhaft belasten und damit im Ergebnis zur Beschäftigungssicherung beigetragen haben. Deshalb kann und darf der Geist aus der Märzvereinbarung keine Eintagsfliege bleiben.

Bei der IG Metall spricht man sich vor den Tarif-Verhandlungen für eine optionale Vier-Tage-Woche mit Teillohnausgleich aus in Betrieben, in denen Arbeitsplätze gefährdet sind. Das klingt nach einem Angebot an die Arbeitgeberseite.
Ist es tatsächlich aber nicht, denn die Möglichkeit der Arbeitszeitabsenkung, um Beschäftigung zu sichern, hatten die Tarifvertragsparteien in der Vergangenheit schon längst geregelt gehabt, allerdings mit der Maßgabe, dass kein Teillohnausgleich erfolgt. Damals herrschte zwischen den Tarifvertragsparteien noch Einigkeit darüber, dass zwischen der Höhe der Arbeitskosten und der Sicherung von Beschäftigung ein Kausalzusammenhang besteht. Da nimmt die IG Metall nun offensichtlich eine andere Bewertung vor.

Im März würde die Friedenspflicht enden, Streiks wären dann möglich. Glauben, Sie, dass es noch vorher zu einer Einigung kommt?
Angesichts der großen Unsicherheit in allen Betrieben, hätte wohl niemand Verständnis für Arbeitskämpfe. Aktuell ist mehr denn je vielmehr ein Zusammenhalt der Belegschaften und Geschäftsführungen in den Betrieben erforderlich. Es geht um sehr viel. Deshalb ist jetzt ein „Zusammen Anpacken“ gefordert mit einem neuen Mut für mehr betriebliche Gestaltungsspielräume, die Abweichungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Kreditrahmen- und Investitionsbedingungen zulassen.

Dieses Interview ist in der Rheinischen Post erschienen.