Nordmetall-Präsident Folkmar Ukena: „Viele Probleme werden uns weiter beschäftigen“

Herr Ukena, Sie sind neuer Nordmetall-Präsident. Erfüllt sich damit ein Traum?
Präsident von Nordmetall zu sein, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, vor der ich großen Respekt habe, weil sie gerade in unruhigen Zeiten wie diesen besonders viele Herausforderungen mit sich bringt. In Kürze beginnen auch die Tarifverhandlungen mit der IG Metall Küste. Insofern würde ich nicht unbedingt von einem Traum sprechen, aber auf jeden Fall von einem sehr spannenden Ehrenamt. Ich erwarte viele interessante Begegnungen und Erfahrungen. Mein Amtsvorgänger Thomas Lambusch hat mir bei der Staffelstab-Übergabe jedenfalls bestätigt, dass seine siebenjährige Arbeit als Nordmetall-Präsident ihm immer viel Freude gemacht hat. Ich bin zuversichtlich, dass das auch bei mir so sein wird.

Wie wird man als Unternehmer aus Ostfriesland Präsident eines Verbandes, der seinen Sitz in Hamburg hat?
Das Gebiet von Nordmetall umfasst ja ganz Norddeutschland, von Emden bis Ueckermünde, von Flensburg bis Hamburg. Zwar ist die Hauptgeschäftsstelle mit rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Hamburg, aber neun weitere Geschäftsstellen decken den ganzen Norden ab. Wir sind der Arbeitgeberverband für die Metall- und Elektroindustrie in allen fünf norddeutschen Bundesländern. Wo ein Mitgliedsunternehmen seinen Stammsitz oder seine einzelnen Werke hat, ist daher nicht so wichtig. Ich selbst engagiere mich bereits seit 2009 bei Nordmetall in der Bezirksgruppe Nordwest und im Vorstand und seit 2018 auch als Vizepräsident in Hamburg. Ich kenne und schätze also den Verband schon lange und habe deswegen auch gerne zugestimmt, als erster Niedersachse Nordmetall-Präsident zu werden.

Welche Aufgaben fallen dem Nordmetall-Präsidenten zu?
Zusammen mit den weiteren Präsidiumsmitgliedern verantworte ich die übergeordnete Steuerung des Verbandes. Das sind vor allem die grundsätzlichen Entscheidungen zur Politik und Führung des Verbandes, von den Finanzen und den Grundsätzen der Personalpolitik bis hin zur strategischen Aufstellung. Der größte Teil unserer 240 Mitgliedsunternehmen sind tarifgebundene Unternehmen. Da Nordmetall seine Mitgliedsunternehmen in einem sehr breiten Themenfeld von Tarifrecht, Arbeitsrecht und Sozialrecht über Fragen zu Arbeit und Gesundheit, Arbeitszeit, Digitalem Strukturwandel, Entgelt, der Fachkräftesicherung, Weiterbildung und Personalentwicklung bis hin zu Wirtschaft und Statistik, Pressearbeit und Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, ist das eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe.

Im Hauptberuf sind Sie geschäftsführender Gesellschafter des Leda-Werks in Leer. Wie bringen Sie beide Aufgaben unter einen Hut?
Ich habe im Verband zum Glück ein sehr kompetentes und engagiertes Team von hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus vielen verschiedenen Fachbereichen, die das Alltagsgeschäft wunderbar steuern und erledigen. Auf sie kann ich mich hundertprozentig verlassen. Sonst könnte man den Präsidentenjob auch gar nicht machen, wenn man gleichzeitig noch ein Unternehmen zu führen hat. Und auch hier habe ich tolle Mitarbeiter.

Sind Sie denn künftig seltener in Leer?
Als Nordmetall-Präsident habe ich jetzt schon ein paar mehr Termine auf Bundesebene zu absolvieren. Aber innerhalb des Verbandes nimmt man natürlich auf die Verfügbarkeit des Präsidenten Rücksicht; das Wann und das Wo kann ich jetzt besser bestimmen als vorher. Und spätestens die Auswirkungen der Corona-Krise haben uns ja allen deutlich vor Augen geführt, dass Anwesenheit vor Ort oft weniger nötig ist als bisher gedacht –und das gilt auch für den Verbandspräsidenten. Mein Arbeits- und Lebensmittelpunkt bleibt also Leer, und das ist auch gut so.

Die Metallbranche leidet wie viele andere erheblich unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Wie ist die Stimmung bei Ihren Mitgliedern?
Bei uns sind ja ganz verschiedene Branchen vertreten. Dass bei den Werften im Kreuzfahrtschiffbau oder bei der Luftfahrtindustrie die Stimmung ziemlich im Keller ist, wird keinen verwundern. Diese Branchen werden Jahre brauchen, um wieder an das Vorkrisenniveau heran zu kommen, und auch größerer Arbeitsplatzabbau ist dort leider keineswegs ausgeschlossen.

Wie sieht es in anderen Bereichen aus?
Auch im Automobilbau, bei den Herstellern von Metallerzeugnissen oder dem Maschinenbau ist die Geschäfts- und Auftragslage so schlecht wie seit vielen Jahren nicht mehr. Ähnlich sieht es in der Windenergiebranche aus, deren Rahmenbedingungen durch viele gesetzliche Vorgaben bestimmt werden. Gleichzeitig gibt es Branchen wie die Medizintechnik oder auch digitale Dienstleister, die kaum oder gar keine Probleme mit den Auswirkungen der Pandemie haben. Das Stimmungsspektrum ist also sehr groß. Umso wichtiger wird ein Tarifabschluss, der der extrem unterschiedlichen Situation möglichst automatisch Rechnung trägt.

Wie ist die Situation in Ostfriesland und im nördlichen Emsland?
Angesichts vieler Betriebe aus dem Schiff- und Automobilbau sowie der schon vor Corona krisengeschüttelten Windkraftbranche ist die Lage sehr schlecht. Politik und Gewerkschaft und wir Arbeitgeber sind gefordert, darauf gemeinsam Antworten zu finden.

Welche Entwicklung erwarten Sie für das kommende Jahr?
Zuerst müssen wir Anfang des kommenden Jahres die Tarifverhandlungen zu einem Abschluss führen, der unsere Unternehmen nicht noch weiter belastet. Nur dann können wir trotz aller Probleme möglichst viele Arbeitsplätze erhalten. Das muss auch im Interesse der Gewerkschaft sein. Während wir mit der IG Metall vor Ort bei allen Unterschieden konstruktive Dialoge hierzu führen, kommen aus der Gewerkschaftszentrale in Frankfurt unrealistische Forderungen. Das werden also wahrscheinlich schwierige Verhandlungen. Generell hoffen wir natürlich, dass sich die Pandemie auch dank der Impfstoffe möglichst schnell abflacht. Gleichzeitig werden uns als Industrie mit großem Exportanteil viele internationale Probleme auch im nächsten Jahr weiterhin beschäftigen, als Beispiel seien hier nur die Auswirkungen des Brexit oder die verschärfte Klimapolitik genannt. Insgesamt befinden wir uns also auch 2021 aller Voraussicht nach in schwieriger und stürmischer See.

Sie sind beruflich stark eingespannt. Können Sie überhaupt abschalten?
Zum Glück ja. Bei diesem Wetter abends zuhause am Kamin aus eigener Produktion einfach mal ins Feuer schauen, das beruhigt ungemein. Wenn ich länger Zeit habe, gehe ich Segeln und lasse mir dabei den Wind um die Nase wehen. Alle Jahre wieder schaffe ich es sogar, auf größere Fahrt zu gehen, zuletzt 2018, als ich die Nordwest-Passage durchsegelt habe. Das sind dann einmalige Erlebnisse, von denen man auch länger zehren kann.

Dieses Interview ist in der Nordwest-Zeitung erschienen.