Vorsitzender des Arbeitgeberverbands Südwestmetall Wilfried Porth: „Nicht weitermachen wie bisher“

Die baden-württembergische Metallindustrie ist der letzte Bezirk in der dritten Verhandlungsrunde. Wie kam es zu dieser ungewohnten Nachzüglerrolle?
Das liegt schon auch daran, dass wir eigene Forderungen gestellt haben. Wir wollen über Themen reden, die für uns im Südwesten wichtig sind. Das hat auf der anderen Seite nicht zur Beschleunigung beigetragen. Dazu kamen Probleme bei der Terminfindung.

Ist das zuerst in Nordrhein-Westfalen gemachte Angebot trotz Ihrer zusätzlichen Forderungen eine Verhandlungsbasis auch für Baden-Württemberg?
Da muss man den materiellen Teil getrennt von den qualitativen Themen betrachten. Die IG Metall will in Tarifverträgen Zukunftsfragen der Unternehmen regeln. In Baden-Württemberg haben wir dafür andere Rahmenbedingungen als in Nordrhein-Westfalen. Da sind wir dabei, eine Linie zu besprechen, die für uns passen könnte. Beim Lohn möchte ich hervorheben, dass wir von Anfang an eine Entgelterhöhung nicht abgelehnt haben. Aber wir können uns eine Erhöhung nur vorstellen, wenn wir wieder auf dem Vorkrisenniveau angekommen sind. Davon liegt das Angebot nicht so weit weg. Es geht ja niemand davon aus, dass wir in diesem Jahr das Vorkrisenniveau erreichen.

Ist die IG Metall inzwischen bereit, über weitergehende Kostensenkungen wie die Streichung von Zuschlägen oder der Steinkühlerpause zu verhandeln? 
Nur zur Klarstellung: Wir reden ja nicht über die komplette Streichung von Zulagen. Wir fordern für Baden-Württemberg nur die Angleichung an das Niveau, das in anderen Tarifgebieten gilt. Was darüber liegt, können wir uns einfach nicht mehr leisten. Wir haben uns schwergetan, die Gewerkschaft zu überzeugen, dass man über unsere Themen auch reden muss. Ich bin aber optimistisch, dass wir für die Verhandlung an diesem Donnerstag Ansatzpunkte gefunden haben.

Sie haben große Erwartungen bei den Unternehmen geweckt. Spüren Sie jetzt eher Druck oder Rückenwind?
Unsere Forderungen sind aus der kritischen Situation entstanden, in der viele Unternehmen sind. In der Metallindustrie kommt zur Wirtschaftskrise die Transformation, zum Beispiel in Bezug auf E-Mobilität und die Digitalisierung, dazu. Da passiert irrsinnig viel, neue Wettbewerber tauchen auf, neue Herausforderungen entstehen. Da können wir nicht so weitermachen wie bis-her. Deswegen haben wir die volle Unterstützung der Unternehmen.

Die IG Metall verlangt eine Vier-Tage-Woche mit Teilentgeltausgleich. Gibt es da Verhandlungsspielraum?
Ich kann mir schwer vorstellen, dass ein Unternehmen in einer schwierigen Situation die Arbeitszeit reduziert und gleichzeitig die Kosten erhöht. Es braucht genau das Gegenteil – Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich. Und diese Möglichkeit haben wir tariflich schon. Wenn man intelligente Lösungen findet, die Kosten zu senken und gleichzeitig die Mitarbeiter zu unterstützen, kann man darüber reden. Da würden wir uns über Vorschläge der IG Metall freuen.

Die Daimler AG hat einen überraschend guten Jahresabschluss vorgelegt. Liefert Ihr eigenes Unternehmen der Gewerkschaft Argumente für mehr Lohn?
Wir sind als Daimler froh über unsere Zahlen. Die Basis dafür waren aber massive Einsparungen bei den Kosten und den Investitionen. Wir haben in jedem Bereich eine Vollbremsung hingelegt. Und wir hatten für die Pkw mit China einen Markt, der schnell wieder angezogen hat. Bei den Lastwagen haben die USA sehr stark beigetragen. Trotzdem sind auch wir noch nicht auf Vorkrisenniveau und haben die Transformation größtenteils noch vor uns.

Auf der anderen Seite stehen viele Mittelständler vor dem Aus. Passen die großen Unterschiede noch in einen Flächentarif?
Ich denke schon. Die Bandbreite hatten wir schon immer. Aber der Flächentarifvertrag darf in der aktuellen Situation nicht noch mehr Belastungen mit sich bringen. Wir müssen mehr Flexibilität schaffen für die Unternehmen, die mit dem Rücken zur Wand stehen.

Die IG Metall wirft den Unternehmen vor, die Krise als Vorwand für Sparmaßnahmen und Verlagerung zu nutzen. Ist dem so?
Dem muss ich entschieden widersprechen. Wir haben in Baden-Württemberg die höchsten Löhne weltweit. Das war bisher durch größere Effizienz und technologischen Fortschritt gerechtfertigt. Aber die anderen holen zu deutlich niedrigeren Personalkosten auf. Deswegen kann es nicht verwundern, wenn Unternehmen komplett neue Produktionen nicht mehr an den angestammten Standorten aufbauen, sondern im Ausland.

Dieses Interview ist in der Heilbronner Stimme erschienen.